Rat am 24.1.2013: 
 Mehrheit akzeptiert 
 Mehrheit nicht 

Ein Bericht von Tim Weber

02.02.‘13

Zehn Minuten vor der Ratssitzung erfuhr ich von Wilfried Mittendorf, dass der Verwaltungsausschuss entgegen des Ergebnisses der Bürgerbefragung dafür gestimmt hat, die Planung für das BMHKW weiter voran zu treiben.

Nachdem das Ergebnis verkündet wurde, begann der Bürgermeister die Aussprache mit einer Rede.

"...Heute muss ich allerdings feststellen, dass das Mitnehmen der Bürgerinnen und Bürger nicht geklappt hat. Wir, die 25 Überzeugten, haben es trotz wochenlangem, intensivem, beherztem und vor allem ehrlichen Einsatz nicht geschafft, zu überzeugen.

Aber warum nicht? Die Antwort ist gar nicht so schwer. Wir haben gegen emotionales Gift angekämpft, nicht zuletzt gestreut von Ratskollegen. Es wird in der Werbung und auch sonst gerne verwendet, die Tatsache nämlich, dass der Mensch nur mit wenigen Anteilen aus rationalem Denken seine Entscheidungen trifft. Der Hauptanteil ist emotional vom Unterbewusstsein gesteuert. Und wenn durch Aussagen wie, „der Wald und die Bäume sind in Gefahr“, Angst ausgelöst wird, dann haben alle Argumente keine Bedeutung mehr. Die Angst überwiegt.

Ich gebe zu, dass ich auch überlegt habe, mit diesem Instrument zu spielen, aber möglicherweise bin ich dazu zu fair. Wenn Sie jetzt fragen, welche Ängste hätte ich denn wohl in Spiel bringen können, darf ich Ihnen sagen, dass die Gefährdung des Standortes Ottersberg als Wirtschaftsstandort auf dem Spiel steht. Ich hätte anbringen können, dass Stromausfälle vermieden werden können in Ottersberg, auch die Gefahr für mehrere hundert Arbeitsplätze hängt an dieser Entscheidung..."
(Horst Hofmann, 24. Januar 2012, Ratssitzung, Die ganze Rede finden Sie unter http://www.flecken-ottersberg.de/?Aktuelles)

In der Rede von Hofmann waren die weiteren Argumente zentral, dass das BMHKW nicht mehr zu retten sei, aber ein Signal an die Wirtschaft gesendet werden müsse und dass die Ratsmitglieder die Verantwortung übernehmen müssen.

Die Rede wurde von der CDU-Fraktion mit Applaus bedacht. Später zeihte Klaus Rebentisch, Fraktionsvorsitzender der CDU, Stefan Bachmann, Erika Janzon und Tim Weber der Verantwortungslosigkeit und forderte Konsequenzen. Bürgermeister und CDU-Fraktion stimmten geschlossen für das BMHKW und gegen das Ergebnis der Bürgerbefragung.

Erika Janzon, Fraktionsvorsitzende der Grünen, bekräftigte ihre Zustimmung zum Ergebnis der Bürgerbefragung, kündigte aber ein abweichendes Votum ihrer Fraktion an. Später berichtete Angela Hennings von schlaflosen Nächsten, die auch Ludwig Schwarz beklagte, und berichtete von ihrer Tochter, die sie fragte, ob nicht besser der Rat die Entscheidung treffen solle. Hennings behauptete ebenso wie der Bürgermeister, dass das BMHKW ohnehin nicht mehr gebaut werde. Hennings und Schwarz kündigten an, dass sie nicht gegen ihre Überzeugung stimmen könnten. Schwarz begründete seine Haltung noch, dass im Mai nicht klar gewesen war, dass die Firma Buss die Wärme abnehmen wollte, er mithin von anderen Voraussetzungen ausgegangen sei. Schwarz, Hennings und Benjamin Rohmeyer stimmten mit der CDU, Thomas Sprengel enthielt sich, Janzon stimmte im Sinne der Bürgerbefragung.

Stefan Bachmann, Fraktionsvorsitzender der SPD, bekannte sich zum Weg der Bürgerbefragung und kündigte an, dass die Fraktion im Sinne der Bürgerbefragung stimmen werde. Er räumte ein, dass das BMHKW eine komplexe Fragestellung gewesen sei. Gerd Gollenstede begründete seine Enthaltung mit seinen energetischen Gewissen, wolle aber auch nicht gegen die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger stimmen.

Tim Weber, Fraktionsvorsitzender der FGBO, begründete, dass es in einer Demokratie weniger darum gehe, was falsch und was richtig sei, sondern was gemacht werde. Und die Mehrheit der Ottersberger habe sich gegen das BMHKW entschieden. Dies sei zu achten. Nicht nur der Wirtschaftsstandort sei wichtig, sondern auch die Lebensqualität. Ökologisch habe das BMHKW auch Nachteile und die Zunahme des Verkehrs sei problematisch. Die FGBO-Fraktion stimmte geschlossen im Sinne der Mehrheit der Befragung.

Nach 90 minütiger Debatte stimmten 15 gegen, 10 im Sinne des Bürgervotums und zwei enthielten sich.

Während der Sitzung war ich entsetzt, wie Bürgermeister und einige CDU-Ratsmitglieder über die Bürger und deren Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, sprachen. Letztlich trauten auch die drei Grünen den Menschen nicht zu, eine "richtige" Entscheidung zu treffen. Sie argumentierten aber stärker mit ihrem Gewissen, statt mit der angeblichen Unfähigkeit der Menschen. Am Ende der Ratssitzung stand ein Mann auf, vom Beruf Ingenieur. Er habe gegen das BMHKW gestimmt und er sei nicht doof. Dem Mann ist zuzustimmen.

Die Behauptung, dass das BMHKW nicht mehr gebaut werden, war m.E. eine Finte. Ein Signal an die Wirtschaft hätte auch anders gesendet werden können, anstatt die Bürgerinnen und Bürger vor den Kopf zu stoßen.

Sicherlich wurde der Wirtschaftsstandort mit der Entscheidung des Rates gestärkt. Der demokratische Flurschaden jedoch ist riesig. Den Menschen, auch vielen 16- und 17-Jährigen, die zum ersten Mal abgetimmt haben, wurde deutlich vor Augen geführt, es spielt keine Rolle, ob sie sich beteiligen. Denn die gewählten Ratsmitglieder wissen besser, was für den Ort gut ist.

Die FGBO hält an dem Weg fest, Bürgerinnen und Bürger an wichtigen Entscheidungen direkt zu beteiligen.
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Übrigens:

"Wer nichts waget, der darf nichts hoffen."

Friedrich Schiler

Wer ist eigentlich:

Wolfgang Simon

Lackierer, Jahrgang 1968, verheiratet, zwei Kinder
wohnt am Otterstedter See

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